Mumbai. Schmutzig, voll, reich und schön.

Date: 4 september 2015

Mumbai. Vuil en druk, rijk en prachtig.

[Zum webdokumentarfilm www.Ndirande.com]

 

„Am 27. Juli 2005 erlebte Mumbai die höchste bisher verzeichnete Niederschlagsmenge sei-ner Geschichte: 95 Zentimeter Regen an einem Tag. Das Hochwasser schwemmte das Beste und das Schlimmste dieser Stadt nach oben’, schrieb der indisch-amerikanische Autor Suketu Mehta zwei Jahre später in der New York Times. Sein brillanter Artikel: „Schmutzig, voll, reich und wunderbar’ ist ein Muss für jeden, der sich für Slums interessiert.

 

„Hunderte von Menschen ertranken. Aber im Gegensatz zu New Orleans nach dem Orkan Katrina, brach das Gemeinwohl hier nicht zusammen. Obwohl keine Polizei vor Ort war, stieg die Kriminalitätsrate nicht an.’
Der Grund dafür war, dass die Einwohner von Mumbai damit beschäftigt waren, einander zu helfen. Die Slumbewohner baten gestrandete Autofahrer in ihre Häuser und Hütten. Obwohl sie mit durchschnittlich sieben Personen in einem Raum zusammenleben, boten sie den Au-tofahrern ihre Gastfreundschaft an.
150.000 Menschen hingen auf den Bahnhöfen fest. Bis zur Taille wateten Freiwillige durchs Wasser, um ihnen Essen zu bringen. Menschen ketteten sich zusammen und retteten andere aus den Fluten. Regierungsvertreter sah man nirgendwo, aber niemand hatte etwas anderes erwartet. Man wusste, dass man es ohne politische Unterstützung schaffen musste und half sich gegenseitig.

 

Es ist eine schöne Geschichte, die uns Suketu Mehta da erzählt. Nicht das amerikanische New Orleans, sondern das indische Mumbai entspricht dem Modell für die Urbanisierung im 21. Jahrhundert. In den Medien wurde uns nur von den Gewaltexzessen in New Orleans be-richtet. Vielleicht wäre es hilfreicher gewesen, uns etwas mehr über die Geschehnisse in Mumbai zu informieren.

 

Mit 15 Millionen Menschen ist Mumbai, einst bekannt als Bombay, die größte, schnellste und reichste Stadt Indiens. Zeitgleich mit einem gewaltigen, wirtschaftlichen Aufschwung befindet sich die Weltstadt in einer permanenten Notlage. Aufgrund der Beliebtheit der Bol-lywood-Filme ist Mumbai die Traumstadt für Millionen von Indern. Alles, Sex, Tod, Handel oder Religion wird auf dem Bürgersteig ausgelebt. Mumbai ist eine ‚maximale‘ Stadt. Jeder Tag ist einen Angriff auf die Sinne. Die Luft ist dick wie Suppe. Es gibt so viele Menschen, dass man ständigen Körperkontakt hat. Jeder scheint einen anzurem-peln: In Zügen, Aufzügen und auf dem Weg nach Hause, wenn man schlafen geht. Auch wäh-rend man schläft, bleibt die Stadt geschäftig und laut. Nachts feiern die Reichen ihre Feste und die Armen ihre religiösen Festivals. Und nachts schwirren die Mücken aus den Sümpfen heran wie die Kriminellen aus ihren Verstecken.

 

Mumbai. Vuil en druk, rijk en prachtig.
„Warum’, fragt Suketu Mehta sich „sollte jemand hierher kommen, der ein Backsteinhaus im Dorf besitzt, zwei Mangobäume vor der Tür hat und einen wunderbaren Ausblick auf grüne Hügel?’ Und er antwortet: „Damit sein ältester Sohn sich eines Tages eine Zweizimmerwohnung in der Mira Straße, am Nordrand der Stadt, leisten kann. Und damit der Jüngste weiterkommt, vielleicht schafft er es ja sogar bis nach New Jersey in den Vereinigten Staaten. Sich kasteien: das sieht man hier als Investition in die Zukunft. Wie in Ameisenkolonien opfern Menschen persönliche Freuden zu Gunsten der Familie. Ein Bruder arbeitet und unterstützt die anderen. Er tut es gerne und betrachtet als Glück, dass sein Neffe, der Interesse an Computern zeigt, damit vielleicht mal nach Amerika geht.

 

„Mumbai ist wie ein goldener Vogel’, erzählt ein Muslim Suketu Metha in den Slums von Jogeshwari. Der Bruder des Mannes wurde von der Polizei während eines Aufruhrs erschos-sen. Er selbst lebt in einem Haus ohne Wasser und Toilette. Aber alles in seinem Leben dreht sich um den goldenen Vogel. „Ein goldener Singvogel fliegt schnell und wendig. Man muss hart arbeiten, um ihn einzufangen. Wenn man es aber schafft, erwartet einen ein Vermö-gen.’ Und das ist nur einer der Gründe, warum jemand die schönen Bäume und offenen Räume seines Dorfs tauscht gegen Verbrechen, schlechte Luft und schmutziges Wasser in Mumbai. Sogar das Kastenwesen wird in Mumbai nicht mehr so ernst genommen: Frauen können hier, ohne belästigt zu werden, allein in einem Restaurant essen. Auch den Ehemann können Frauen hier frei wählen. Für einen jungen Menschen in einem indischen Dorf besteht die Verlockung von Mumbai nicht nur im Geld. Ihn lockt auch die Freiheit.

 

Weiter lesen auf der (Englischen) website der New York Times.

 

 

Foto’s
© Julian Bound, Dharavi, Mumbai. Via Dreamstime.com
© M M from Switzerland. Dharavi. Mumbai, India, 2010. Via Wikimedia Commons

 

 

 

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